Licht und Schatten Als die zwei Lichtgestalten sich trafen, jenseits des Horizonts, war von dem kleinen alten Mann nur ein Schemen zu sehen gewesen. Weit entfernt von ihnen hatte er sie aus mißtrauischen Augen beobachtet und seiner Stunde geharrt. Sie aber hatten nur sich gesehen, weithin leuchtend ihren Zauber verströmt, das weite Feld in goldenes Licht getaucht und lange, lange getanzt. Bei den Händen hatten sie sich gehalten und dabei ausgesehen wie ein einziges Wesen, schillernd in allen Farben des Universums, sich aufgesogen und neu erschaffen in der Ewigkeit eines einzigen Augenblicks. Unmerklich langsam hatte sich der Schatten des alten Mannes aus den Bäumen am Waldrand herausgelöst, unmerklich sich den Wesen genähert, bis er zwischen ihnen stand. Der Horizont rückte nun näher, der Waldrand schien sich auf die zuzubewegen. Der Mann blickte abwechselnd nach rechts und nach links, ließ seine stechenden Augen schließlich auf eines der beiden Wesen gerichtet verharren und begann sein Verhör: »Was tanzt du denn hier so herum? Inmitten des Waldes, nun sieh dich doch einmal an!« Die Gestalt hinter dem alten Mann trat einen Schritt zurück und versuchte, eine bessere Sicht zu bekommen, suchte nach dem widerspiegelnden Licht und sah doch nur den riesigen Schatten des alten Mannes. Ihr Lächeln verblaßte, doch in ihrem Herzen trug sie noch die Gewißheit, daß der Alte nur eine Erscheinung war, ein Spuk, der nicht in ihre Welt gehörte und bald wieder verschinden würde. Und doch sorgte sie sich etwas. »Nun denn!« rief der Schatten, und es war dem Angesprochenen, als krache ein Donner vom Himmel
hernieder. »So zeige mir doch, daß du tanzen kannst! Erkläre mir deine Schritte!« Endlich wurde die abseits stehende Gestalt zornig und trat in die Mitte der Lichtung, zwart schimmernd und mutig erhobenen Hauptes, lächelte und schwieg. Sie faßte die Hände des mutlosen Tänzers und leuchtete mit aller Kraft. Als sich ihre Blicke begegneten, verschmolz ihr beider Lächeln wieder zu einem ganzen, wuchs ihr beider Leuchten zu einem Strahlen, fast so schön wie ihr gleißendes Licht während ihres Tanzes. Der alte Mann zuckte wie unter Schmerzen zusammen, und während die Bäume imer weiter zurückwichen, wurde sein Schatten dünn und durchsichtig, bis er sich schließlich aufgelöst hatte. Da sprach die Zuversicht nur ein einziges mal: »Mir war, als hättest du versprochen, mit dem alten Zweifel nicht mehr zu reden. Du weißt doch, daß du tanzen kannst. Also vergiß ihn und laß uns tanzen!« * Jenseits des Horizonts, weit, weit entfernt, sieht man auch heute noch oft ein Wesen in einem gleißenden Licht sich drehen, in allen Farben schillernd dreht es sich und will uns scheinen, als tanzten dort zwei Wesen, nicht von unserer Welt, und hielten sich fest bei den Händen. 1998 |