Inspirationen – was mir gegeben wurde


Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln und uns engen,
Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse, 1941
 

My Way

And now, the end is near;
And so I face the final curtain.
My friend, I’ll say it clear,
I’ll state my case, of which I’m certain.

I’ve lived a life that’s full.
I’ve traveled each and ev’ry highway;
But more, much more than this,
I did it my way.

Regrets, I’ve had a few;
But then again, too few to mention.
I did what I had to do
And saw it through without exemption.

I planned each charted course;
Each careful step along the byway,
But more, much more than this,
I did it my way.

Yes, there were times, I’m sure you knew
When I bit off more than I could chew.
But through it all, when there was doubt,
I ate it up and spit it out.
I faced it all and I stood tall;
And did it my way.

I’ve loved, I’ve laughed and cried.
I’ve had my fill; my share of losing.
And now, as tears subside,
I find it all so amusing.

To think I did all that;
And may I say - not in a shy way,
»No, oh no not me,
I did it my way«.

For what is a man, what has he got?
If not himself, then he has naught.
To say the things he truly feels;
And not the words of one who kneels.
The record shows I took the blows –
And did it my way!

Paul Anka, Jacques Revaux, Gilles Thibault, Claude François (performed by Frank Sinatra)
 


Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seinen Himmel gegeben, –
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...

Rainer Maria Rilke, 1898
 


An der Quelle saß der Knabe
das Wasser mit Buchstaben zu versehen
aber es las sich kein Wort

aus: Heinar Kipphardt, »März«
auf Basis der Texte von Alexander März

 

Ecce Homo

Ja, ich weiß, woher ich stamme
Ungesättigt gleich der Flamme
glühe und verzehr’ ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich!

Friedrich Wilhelm Nietzsche
 

Adam der Erste

Du schicktest mit dem Flammenschwert
Den himmlischen Gendarmen
Und jagtest mich aus dem Paradies,
Ganz ohne Recht und Erbarmen!

Ich ziehe fort mit meiner Frau
Nach andren Erdenländern;
Doch daß ich genossen des Wissens Frucht,
Du kannst du nicht mehr ändern.

Du kannst nicht ändern, daß ich weiß,
Wie sehr du klein und nichtig,
Und machst du dich auch noch so sehr
Durch Tod und Donnern wichtig.

O Gott! wie erbärmlich ist doch dies
Consilium abeundi"
Das nenne ich einen Magnifikus
Der Welt, ein lumen mundi!

Vermissen werde ich nimmermehr
Die paradiesischen Räume;
Das war kein wahres Paradies –
Es gab dort verbotene Bäume.

Ich will mein volles Freiheitsrecht!
Find ich die g’ringste Beschränknis,
Verwandelt sich mir das Paradies
In Hölle und Gefängnis.

Heinrich Heine
 

Die guten Bekannten

Ein Mensch begegnet einem zweiten.
Sie wechseln Förm- und Herzlichkeiten,
Sie zeigen Wiedersehensglück
Und gehn zusammen gar ein Stück.
Und während sie die Stadt durchwandern,
Sucht einer heimlich von dem andern
Mit ungeheurer Hinterlist
Herauszubringen, wer es ist.
Daß sie sich kennen, das steht fest,
Doch äußerst dunkel bleibt der Rest.
Das Wo und Wann, das Wie und Wer,
Das wissen alle zwei nicht mehr.
Doch sind sie, als sie sich nun trennen,
Zu feig, die Wahrheit zu bekennen.
Sie freun sich, daß sie sich getroffen;
Jedoch im Herzen beiden hoffen,
Indes sie ihren Abschied segnen,
Einander nie mehr zu begegnen.

Eugen Roth
 


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