Gehen

»Ich kann doch nicht!« schrie einer. »Ich kann doch nicht! Ich kann nicht, und deshalb will ich auch nicht!« Lugte ängstlich unter dem blechernen Vordach hervor, auf das lustig der Regen niederprasselte, stand und schielte in den grauen Himmel, fühlte schon die Tropfen von innen heraus seine Kleider aufweichen, stand da und schrie. Und richtig: Es stand auch einer hinter ihm, einer, der bereits angekommen war und sorgenvoll auf den Schreihals blickte. Fürsorglich, mit sanfter Hand und fast liebevoll gab dieser ihm einen Schubs, daß er plötzlich fassungslos mitten im Regen stand und sich vor Schreck an seinem ‘kann’ verschluckte. Da mußte er wohl rennen, und da wollte er auch, wollte zunächst nur den Regen hinter sich bringen, wollte natürlich auch dem anderen zeigen, wie er nicht feige umkehrte, wollte aber – einmal naß – nun auch sich selbst beweisen, daß er konnte. Und da er wollte, konnte er auch.

Doch dann stand er überraschend an einer riesigen Kreuzung, sah aus allen Richtungen Gefährte kommen und zielsicher in eine der anderen unendlichen Weiten entschwinden. Unentschlossen blickte er bald hierhin, bald dorthin, blickte zögernd in das gluckernde Regenwasser vor dem Bordstein zu seinen Füßen – auch das wußte seinen Weg. Und da dachte er noch, daß er wolle und nur nicht könne und wußte seinen Weg nicht und begann wieder zu schreien. Doch der barmherzige Angekommene war längst heimgegangen und schlief fest. War da auch kein anderer mehr, ihm noch einen Schubs zu geben.

Und nun mag irgendein Mensch kommen, ihn einfach einstecken und mit nach Hause nehmen. Das Schreien hat ihn klein gemacht.

–1998–