Reibung

Meine silberne Glocke
Täglich habe ich sie poliert
Mit einem weichen Tuch
Wieder und wieder blank gerieben
Und hin und wieder an sie geschlagen
Ihrem sanften Klang gelauscht
Mich verzaubern lassen.

Doch ich muß sie
Zu intensiv gerieben haben
Das Metall muß dünn geworden sein
Und einen Sprung bekommen haben
Denn zuletzt klang sie verstimmt
Als ich sie läuten wollte
Etwas dumpf

Seitdem traue ich mich nicht mehr
Das weiche Tuch zur Hand zu nehmen
Um ihren sanften Schimmer zu bewahren
Traue mich nicht mehr
Sie zum Klingen zu bringen
Sie auch nur anzurühren
Aus Angst, sie vollends totzustreicheln

Seitdem läuft sie allmählich grau an
Und verstaubt auf ihrem Ehrenplatz

–1998–